„Winning Culture“ bei der SAP AG
15. Januar 2024 // 3 min Lesezeit
„Ich bin erstaunt, wie viele Diskussionen es darum gibt,“ wundert sich Personalexperte Axel Hüttmann am 11. Dezember in einem Interview mit der Zeitschrift CAPiTAL. Zu diesem Zeitpunkt war SAP bundesweit in den Schlagzeilen. Vertreten in jedem Wirtschaftsteil. Heiß diskutiert in der IT-Öffentlichkeit und in den Personal-Forum auf LinkedIn und anderswo. Was war passiert? Am Morgen des 7. Dezember war durchgesickert, dass SAP ein neues System der Leistungsbewertung für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einführen will.
Das Handelsblatt hatte als Erstes davon Wind bekommen. Im sogenannten Morning Briefing der Zeitung schrieb Christian Rickens: „Es soll Leistungsträger geben, „Performer“ genannt, die bei Bonuszahlungen besonders berücksichtigt werden. Die Mehrheit der Mitarbeiter dürfte in die Kategorie „Achiever“ fallen, die die Erwartungen erfüllen. Und dann gibt es noch sogenannte „Improver“, die sich verbessern müssen.“ Die Meldung, die süffisant mit „Paukschule“ statt „Kuschelpädagogik“ abgeschlossen wurde, war der Auslöser für unruhige Wochen, die der SAP AG keinen Spaß gemacht haben sollten. Bleibt die Frage: Warum die hohen Wellen?
Die „Meldung“ um das neue Mitarbeiterbewertungssystem ist zunächst ein Unfall von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Eine Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt war nicht beabsichtigt. Durch eine Indiskretion gelangten die Pläne an die Öffentlichkeit. Vermutlich liefen im Hintergrund die Vorbereitungen zur offiziellen Kommunikation via Pressemeldung. Doch der Konzern wurde von der Insider-Information aus den eigenen Reihen überrascht. Daraufhin musste die Kommunikation der SAP einige Tage tatenlos mit ansehen, auf welche Weise in den Medien die Dinge verhandelt wurden. Der Verweis eines SAP-Sprechers auf den Leistungswillen der Mitarbeitenden hatte wenig erhellendes und trug nicht dazu bei, die Diskussion zu versachlichen.
Montagmorgen. JournalistInnen, Personal-Verantwortliche und BlogschreiberInnen starten in die Woche. Kurz vor Weihnachten ist die Nachrichtenlage im Personalressort eher dünn. Da kommt eine Meldung wie die des bevorstehenden SAP-Bewertungssystems gerade recht. Zumal die Nachrichtenlage dünn ist. Das Handelsblatt hat interne Quellen angegeben. Offizielle Verlautbarungen von SAP liegen dazu nicht vor. Also durfte munter diskutiert werden. Dazu zitiert der Online-Dienst t3n eine Ankündigung von Anfang 2023, wonach der Konzern plane, sich von Mitarbeitenden zu trennen. Die unklare Gemengelage hatte zu Bewerungen und Spekulationen förmlich eingeladen.
Im Jahr 2017 sagte der Personalchef von SAP Deutschland, Wolfgang Fassnacht in der FAZ: „Die bisherigen Ratings haben mehr Unzufriedenheit geschürt als sie Positives gebracht haben.“ Daraufhin verzichtete der Konzern auf entsprechende Bewertungen. Sechs Jahre später folgt die Rolle rückwärts. Manche Kommentare erwähnen auch den zeitlichen Zusammenhang mit Cawa Younosi, der einige Wochen zuvor als SAP Personalchef seinen Hut genommen hatte. Daraus lassen sich Storys entwickeln.
Die Gerüchte um das neue Bewertungssystem fallen in eine Zeit, in der Leistung und Druck gesellschaftlich verhandelt werden. SAP-Chef Christian Klein hatte erst zwei Wochen zuvor in der WELT ein Interview gegeben, in dem er die in Deutschland vorherrschende Einstellung zur Arbeit als Makel des Standortes eingeschätzt hatte. Er zog einen Vergleich mit der Entwicklung bei den Bundesjugendspielen. Damit wählt er ein bei Populisten beliebtes Thema, um das in Deutschland seit Monaten mit überschaubarem sportlichem Sachverstand diskutiert wird. Diese Zuspitzung fällt der SAP nun bei den Gerüchten ums Bewertungssystem vor die Füße. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt sogar von einem „Kulturkampf im Unternehmen“.
Inzwischen ist die allgemeine Aufregung gewichen. In den Foren wird sachlich diskutiert. Wolfgang Hüttmann spekulierte am Ende einer aufregenden Woche in der Zeitschrift CAPITAL: „Ich schätze, dass 70 Prozent der Dax-Unternehmen irgendeine Art der Leistungsbeurteilung haben, also Mitarbeitende nach Potential und Performance bewerten und in eine Matrix einsortieren.“ Die Wellen haben sich inzwischen gelegt. Man darf trotzdem auf eine offizielle Verlautbarung zum neuen Bewertungssystem gespannt sein. Wie der Online-Dienst t3n und andere Berichte bestätigen, ist die Einführung hierzulande vom Betriebsrat mitbestimmungspflichtig. Eventuell muss zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung geschlichtet werden. Dieser Prozess könnte sich noch einige Wochen hinziehen.
Bildquelle: SAP AG
Tags:
SAP-CEO Christian Klein SAP AG Winning Culture Performer Achiever Improver Bewertungssystem
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